Wofür wurde die Landesweite Klimaanalyse erstellt?
Mit der landesweiten Klimaanalyse konnte die LUBW erstmals eine Datengrundlage schaffen, auf Basis derer im Zusammenwirken mit Planenden eine landesweit einheitliche Planungshinweiskarte erstellt wurde. Es ist wichtig, dass diese planungsrelevanten Informationen gebündelt vorliegen und nicht in einzelnen Karten verteilt sind, um die Klimaanpassung in der Raumplanung adäquat berücksichtigen zu können. Die Planungshinweiskarte vereint daher viele Fachinformationen im Kontext Hitze als Entscheidungsgrundlage für zukünftige Planungen auf Landesebene, in den Regionalverbänden oder in den Kommunen.
Die vergangenen Jahre haben gezeigt: Die sommerliche Hitze in Baden-Württemberg nimmt zu. Und auch in Zukunft wird es mehr Heiße Tage in Baden-Württemberg geben, wie die Modellauswertungen der LUBW zeigen (Klimaleitplanken 2.0). Für die menschliche Gesundheit stellt diese Entwicklung eine zunehmende Belastung dar. Insbesondere Menschen mit gesundheitlichen Vorbelastungen sowie ältere Menschen und Kleinkinder sind bei Hitze besonders gefährdet. Besonders in unseren Städten sind zunehmende Hitzeereignisse ein Problem, da eine dichte Bebauung und Versiegelung zu noch höheren Temperaturen führen. Die aufgeheizten Gebäude der Städte geben die Wärme bis in die Nachtstunden ab und sorgen für einen deutlichen Temperaturunterschied zum Umland. Dieser Effekt wird auch städtische Wärmeinsel genannt und kann bis zu 10 °C Unterschied ausmachen.
In den Abend- und Nachtstunden zieht vielerorts kühle Luft aus dem Umland in die Stadt. Diese entsteht im Umland auf Freiflächen wie Wiesen oder auch in Waldgebieten. Dabei ist es wichtig, dass diese sogenannten Kaltluftströme nicht schon am Ortsrand, z.B. durch dichte Gebäuderiegel, aufgehalten werden, sondern die kühle Luft möglichst große Teile der Stadt erreicht. Für die Hitzeentlastung in der Stadtmitte spielt also auch die Beschaffenheit des Ortsrandes sowie des Umlands eine entscheidende Rolle.
Daher ist es wichtig, diese Aspekte in der Planung zu berücksichtigen, um im Sinne der Klimaanpassung kühlende Luftströme zu stärken oder zumindest nicht zu gefährden und die Temperatur in der Stadt dadurch zu reduzieren. In Tallagen kann der Entstehungsort der Kaltluft von der Stadt, in die sie zieht, einige Kilometer auseinanderliegen. Somit ist die Berücksichtigung von Kaltluftströmen nicht nur für die Stadtplanung, sondern auch in der Regional- und Landesplanung relevant. Hierfür fehlte bislang eine einheitliche Datengrundlage auf Landesebene, die Planenden hilft, besonders belastete Stadtgebiete und schützenswerte Kaltluftströme sowie -entstehungsgebiete zu identifizieren.
Im Projekt wurde eine landesweite Klimaanalyse mit einer Auflösung von 50 x 50 m durchgeführt. Dabei wurde mit einem Computermodell ein repräsentativer Sommertag mit langer Sonnenscheindauer für unser heutiges Baden-Württemberg sowie für ein um weitere +2, +3, +4 und +5 °C erwärmtes Baden-Württemberg simuliert. Das Modell berechnet den Tages- und Nachtverlauf ohne Wolkeneinfluss. Dadurch werden Temperaturunterschiede zwischen Städten und dem Umland deutlich und es bilden sich kühlende Luftströme aus. Die Ergebnisse dieser Analysen sind Grundlage für die landesweite Planungshinweiskarte.
Aus den Modellergebnissen der Umwelt- und Klimadaten wurde mit dem Fokus auf die Lufttemperatur, die Kaltluftentstehung und die Kaltluftströme sowie die Lufthygiene eine Planungshinweiskarte erstellt. Das Vorgehen folgt dabei den Vorgaben aktueller VDI-Richtlinien (VDI-3785 2008 sowie VDI-3787 2015). Der Fokus der Planungshinweiskarte liegt in der Bewertung der klimatischen Bedingungen für den Menschen und die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Weitere Folgen von Hitze, z.B. auf Infrastruktur oder Ökosysteme, werden nicht konkret bewertet.
Die Planungshinweiskarte zeigt die aktuelle sommerliche Hitzebelastung von Siedlungsflächen sowie die Gebiete im Umland, die für Kühlung in der Stadt sorgen können. Verbunden werden diese Räume durch Kaltluftströme. Als Basis der Planungshinweiskarte wird die Hitzebelastung bei Nacht betrachtet, da die nächtliche Erholung für den menschlichen Körper besonders wichtig ist und auch die zur Kühlung der Stadt wichtigen Kaltluftströme in der Nacht besonders ausgeprägt sind. Zusätzlich zur dargestellten heutigen Belastungssituation wird in der Legende ein Bezug zur Belastung bei weiterer klimatischer Erwärmung hergestellt. So werden entsprechend mehr Gebiete zu Belastungsschwerpunkten, je weiter sich die Temperatur zukünftig erhöht.
Die Planungshinweiskarte setzt sich aus drei wesentlichen Bestandteilen zusammen: Der thermischen Belastung im Siedlungsraum, dem ausgleichenden Umland sowie dem Kaltluftabfluss.
Alle Siedlungsflächen werden zunächst als Wirkraum definiert und werden nach der thermischen Belastung kategorisiert. Hier interessiert die Hitzeentwicklung und Abkühlung besonders, da sie eine große Wirkung auf Menschen in ihrem Wohn- und Arbeitsumfeld haben. Aufgrund der unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten, wie dicht besiedelte Innenstadtbereiche, Gewerbegebiete, Einzelhausbebauung mit Gärten oder Parkflächen, ergeben sich große Unterschiede der sommerlichen Hitzebelastung innerhalb einer Stadt. Dies zeigen beispielhaft die Kartenausschnitte in den nachfolgenden Grafiken. Die Abbildung zeigt in Rottönen (von orange über rot bis violett) die Wirkräume mit unterschiedlichen Belastungen. In den Innenstadtbereichen wird mit der Farbe Violett die bereits heute besonders hohe Hitzebelastung angezeigt. In den Randbereichen der Siedlungen finden sich Gebiete mit geringerer Temperaturbelastung (rote und orangene Bereiche). Allerdings ist auch dort mit zunehmender Klimaerwärmung eine starke Temperaturbelastung in den Sommermonaten zu erwarten.
Berücksichtigung der zukünftigen klimatischen Entwicklung über „Warming Levels“
Für die Erstellung der Planungshinweiskarte wurden zusätzlich Klimamodelldaten zur Berechnung der zukünftigen möglichen Temperaturentwicklung in Baden-Württemberg genutzt. Hierbei wurden die auf regionaler Ebene verfügbaren Modellergebnisse aus den RCP-Szenarien in sogenannte „Warming Levels“ für Baden-Württemberg übersetzt und dargestellt. So können zeitunabhängige Aussagen zu einem Baden-Württemberg mit +2, +3, +4 und +5 °C höheren Sommertemperaturen getroffen werden. Ferner ist durch die Berechnung der „Warming Levels“ auch bei der Aktualisierung von Klimaszenarien eine Einordnung der Belastungskategorien ohne neue Modellrechnung möglich. Die gewählten Warming Levels basieren auf den Sommertemperaturen bis zum Ende des Jahrhunderts im Vergleich zum Zeitraum 1971-2000. Grundlage sind die Auswertungen der LUBW der regionalen Klimamodelldaten für Baden-Württemberg basierend auf den RCP-Szenarien, die unter anderem in den Klimaleitplanken 2.0 (Klimazukunft Baden-Württemberg )- Was uns ohne effektiven Klimaschutz erwartet!) sowie in der Anpassungsstrategie 2023 des Landes publiziert wurden. Abbildung 2 zeigt eine Zuordnung der Warming Levels zu den verschiedenen RCP-Klimaszenarien und Zeiträumen. Die angezeigten Warming Levels (+2, +3, +4, +5 °C) beziehen sich dabei auf die Erwärmung der Sommertemperatur (Mittelwerte der Monate Juni, Juli, August) im Vergleich zum Zeitraum 1971-2000. Ein Blick in die Beobachtungsdaten zeigt, dass sich die Sommermitteltemperatur von der Referenzperiode 1971-2000 (16,6 °C) bis zum Zeitraum der Bestandssimulation 1991-2020 (17,6 °C) bereits um ca. 1 °C erhöht hat.
Die Belastungskategorien der Planungshinweiskarte orientieren sich generell an relativen Unterschieden. Das bedeutet, es sind Aussagen darüber möglich, wo in einer Stadt im Vergleich zu anderen Stadtbereichen die größten Belastungen auftreten und auch welche die besonders belasteten Städte im Land sind.
Um neben den relativen Aussagen auch konkrete Hinweise zur möglichen Wirkung von Hitze auf die menschliche Gesundheit darzustellen, wurden aktuelle Forschungsergebnisse zur Hitzemortalität einbezogen. Eine Studie von 2022 des RKI, des DWD sowie des UBA schätzte statistisch mit Hilfe von Wochenmitteltemperaturschwellenwerten die Anzahl der hitzebedingten Sterbefälle für Deutschland, aber auch separat für den Süden Deutschlands (Baden-Württemberg, Bayern). Für eine Wochenmitteltemperatur von über 21 °C - auch als Hitzewoche bezeichnet - konnte vor allem für die Alterskohorte 85+ in Süddeutschland eine relevante Einwirkung von Temperatur auf die Gesamtsterblichkeit ermittelt werden. Die Überschreitung dieses Schwellenwertes wird daher als ein Indikator für das Risiko von hitzebedingten Todesfällen in der Planungshinweiskarte verwendet. Die Häufigkeit der Überschreitung dieses Wochenmitteltemperaturschwellwerts wurde den Belastungskategorien im Wirkraum (Rottöne von orange bis violett) zugeordnet. So wird der Schwellwert in den Hitze-Hotspots (violette Färbung) im Schnitt im Zeitraum 1991 – 2020 während mindestens 6 Wochen pro Jahr überschritten, wohingegen dieser in den weniger belasteten Bereichen ca. 3 (orangegelb), 4 (hellrot) oder 5 Wochen (dunkelrot) überschritten wird.
Thermisch ausgleichende Flächen (Ausgleichsraum)
Der Ausgleichsraum beinhaltet alle Flächen, die nicht dem Wirkraum angehören. Dazu zählen sowohl umliegende Wälder, Wiesen und Felder, als auch Grünflächen im städtischen Bereich.
Je dunkler die grüne Einfärbung, desto größer ist die klimatische Bedeutung dieser Flächen für den Wirkraum, d.h. dort entsteht oder fließt Kaltluft, die im Siedlungsbereich ankommt. Im Ausgleichsraum sind auch Flächen mit blauen Baumsymbolen zu finden.
Diese stellen die Erholungswälder in Baden-Württemberg dar und wurden der Waldfunktionenkartierung der FVA von 2021 entnommen. Dabei werden drei Kategorien unterschieden:
Stufe 1a: Wald mit sehr großer Bedeutung für die Erholung im urbanen Umfeld
Stufe 1b: Wald mit großer Bedeutung für die Erholung
Stufe 2: Wald mit relativ großer Bedeutung für die Erholung
Abbildung 3 zeigt die Ausgleichsflächen und Erholungswaldgebiete, die um die Stadt herumliegen und farblich abgestuft sind.
Kaltluftabfluss
Der Kaltluftabfluss beschreibt den Transport der kühlen Luft in die hitzebelasteten Gebiete. Er stellt eine Verbindung zwischen Wirkraum und Ausgleichsraum her. Je nach Belastungsstufe des erreichten Wirkraums wird zwischen zwei Prioritäten für Kaltluftabfluss unterschieden:
Lineare Kaltluftleitbahn
Eine lineare Kaltluftleitbahn hat nur eine fokussierte Schneise zur Verfügung und ist in der Regel ein wirkmächtiger Kaltluftstrom. Dadurch weisen gerade die linearen Kaltluftleitbahnen eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber z.B. einer Neubebauung auf.
Flächenhafter Kaltluftabfluss
Flächenhafter Kaltluftabfluss ist häufig von geringerer Mächtigkeit und Reichweite, aber bei einzelnen, kleinen Eingriffen weniger störungsempfindlich als die linearen Kaltluftleitbahnen.
Kaltluftströmungssysteme
Die Kaltluftströmungssysteme machen deutlich, dass auch weit vom Wirkraum entfernte Gebiete für die dortige Temperatur verantwortlich sind. Daher ist die Berücksichtigung der Planungshinweiskarte auch in überregionalen Planungen von Bedeutung. Die zugehörigen Flächen der Kaltluftströmungssysteme werden entsprechend schraffiert dargestellt.
Auf Grundlage der Verkehrsemissionen wird zusätzlich zwischen lufthygienisch belasteten und unbelasteten Kaltluftströmen unterschieden, was bei der Abwägung in späteren Planungsprozessen helfen kann und zur Priorisierung von Maßnahmen zur Reduktion der Verkehrsbelastung herangezogen werden kann.
Die Darstellungen des Kaltluftabflusses wurden in einem gutachterlichen Prozess auf Grundlage der Modellergebnisse aus der Klimaanalyse erstellt. In Abbildung 4 ist das Kaltluftprozessgeschehen dargestellt.
Weitere Analysen für den selben Raum
Für einige Städte, Landkreise und Regionalverbände liegen eigene Analysen vor. Diese sind i.d.R. ebenfalls qualitätsgesichert und belastbar, weisen aber möglicherweise methodische Unterschiede auf, die eine eigene Bewertung der klimatischen Situation zulassen. Diese Unterschiede sind bei der Betrachtung verschiedener Analysen für den selben Raum zu beachten bzw. bei einer Interpretation mit zu berücksichtigen.
Die Planungshinweiskarte stellt einheitliche, VDI-konforme, landesweit vergleichbare Aussagen zur Hitzebelastung im Siedlungsraum in Baden-Württemberg dar.
Mit der Planungshinweiskarte können einheitliche Aussagen zu lokalen und regionalen Kaltluftströmen in Baden-Württemberg getroffen werden.
Die Planungshinweiskarte enthält eine lufthygienische Bewertung der für Siedlungsräume relevanten Kaltluftströme für Abwägungsentscheidungen und zeigt das Aufwertungspotential an.
Die Planungshinweiskarte liefert zusätzliche landesweite Informationen zur Auftrittshäufigkeit von gesundheitsrelevanten Hitzesituationen.
Die Planungshinweiskarte bietet eine einheitliche Planungsgrundlage für Kommunen, Regionalverbände und das Land im Bereich Anpassung an Hitze.
Durch die Nutzung von sogenannten „Warming Levels“ ist auch bei einer Aktualisierung von Klimaszenarien eine Einordnung der Belastungskategorien ohne neue Modellrechnung möglich.
Aktuelle Grenzen des Produkts
Bei einer Auflösung von 50 m werden keine Gebäudestrukturen berücksichtigt, d.h. der Einfluss von kleinräumigen Anpassungsmaßnahmen (z.B. Stadtbäumen, Dach- und Fassadenbegrünung) auf das Stadtklima kann nicht modelliert werden. Lediglich die Auswirkungen größerer Parks (ca. > 50 x 50 m) werden abgebildet.
Es wurde keine zukünftige Siedlungsentwicklung und deren Wirkung betrachtet.
Die Modellierung erfolgte auf Grundlage einer bestimmten sommerlichen Wetterlage. In anderen Wetterlagen treten die Luftströme, z.B. aufgrund von überregionalen Winden, in schwächerer oder stärkerer Ausprägung auf.
Konkrete Aussagen zur Anzahl z.B. von Tropennächten oder Heißen Tagen können aus der Planungshinweiskarte nicht direkt abgelesen werden. Hierzu gibt es jedoch parallele Darstellungen im Klimaatlas BW.
Bei der Betrachtung der Lufthygiene wurden keine Industrieemissionen berücksichtigt.
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